Inklusion – ganz oder gar nicht?

Vor 15 Jahren sind in Deutschland die UN-Behindertenrechtskonventionen in Kraft getreten. Diese besagen, dass alle Menschen unter anderem ein Recht auf Chancengleichheit, Kommunikation, Nichtdiskriminierung, Zugänglichkeit, Selbstbestimmung, Bildung und Teilhabe haben. Seitdem verpflichtet sich Deutschland dazu, jedem Menschen Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen und die Inklusion voranzutreiben. Passiert ist seitdem leider gar nicht mal so viel.

Oft erlebe ich, auch unter (angehenden) Sonderpädagog*innen, eine gewisse Skepsis und Resignation Inklusion gegenüber. Viele sagen, dass das nicht funktionieren kann, dass Lehrkräfte damit nur noch mehr überfordert werden, dass die Schulen nicht dafür ausgestattet sind und insbesondere Menschen mit einer schwerstmehrfachen Behinderung in Sondersystemen wie Schulen oder Wohngruppen einfach besser aufgehoben seien. Aber ist das tatsächlich so? Oder ist das nicht einfach eine „faule“ Ausrede der Gesellschaft, damit wir einfach alle so weitermachen können wie bisher?

Die freie Journalistin und Redakteurin Hannah Wahl beschreibt in ihrem Buch „Radikale Inklusion. Ein Plädoyer für mehr Gerechtigkeit.“ wie Inklusion gelingen kann und hebt insbesondere die Notwenigkeit hervor, eine inklusive Gesellschaft zu gestalten.

Um es mit ihren Worten in leichter Sprache zu sagen:

[O]hne Inklusion können [Menschen] nicht an der Gesellschaft teilhaben. Sie werden aus allen Lebens-Bereichen ausgeschlossen. Sie sind schlechter versorgt. Sie können ihr Leben nicht so führen, wie sie selbst möchten. Wenn man nicht selbst über das eigene Leben bestimmten darf, dann ist das Gewalt. Das heißt: Wenn es keine Inklusion gibt, tut man Menschen Gewalt an.

Wahl, 2023, S. 111.

Hannah Wahl ist der Meinung, dass Inklusion nicht in kleinen Schritten gelingen kann, sondern es eine gesamtgesellschaftliche Neuausrichtung braucht. Ziel der Radikalen Inklusion ist es, dass alle Menschen gerecht behandelt werden und selbstbestimmt leben können, egal welches Geschlecht, welche Herkunft oder Religion sie haben, egal ob sie eine Behinderung haben oder nicht, ob sie arm oder reich sind.

In dem Buch werden zwei Schritte ausgeführt, die zu vollkommener Inklusion führen. Erstens müssen alle Menschen die finanzielle und soziale Unterstützung bekommen, die sie brauchen. In allen Lebens-Bereichen. Zweitens müssen wir die Bereiche in unserer Gesellschaft finden, die nicht mit Inklusion vereinbar sind. Es ist essentiell wichtig, dass wir als Gesellschaft unser Menschenbild ändern und Menschen mit Behinderung nicht als minderwertig oder nicht normal ansehen. Wir sollten uns laut Wahl gemeinsam dafür einsetzen, dass alle Menschen ein gutes Leben leben können. Dies kann ihrer Meinung nach nicht in kleinen Schritten geschehen, sondern muss umfassend und „radikal“ geschehen. Hannah Wahl geht in ihrem Buch so weit zu sagen, dass vollumfängliche Inklusion in einem kapitalistischen System nicht möglich ist.

Deshalb bleibt vielleicht eine darüberstehende Frage, wie schafft man den Kapitalismus ab und was ist eine gute Alternative zum Kapitalismus?

Ich kenne mich (noch) nicht gut genug mit den verschiedenen Wirtschaftssystemen aus, um mir eine abschließende Meinung zum Kapitalismus und seinen Alternativen bilden zu können.

Sehr wohl kenne ich mich jedoch mit Inklusion und seinen Alternativen aus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Inklusion der eizig richtige Weg zu einer gerechteren Gesellschaft für alle Menschen ist. Ich leugne nicht, dass es nicht leicht sein wird das bestehende System umzubauen und zu verändern. Ich gebe auch zu, dass die sogenannte Inklusion wie sie heute praktiziert wird, in den meisten Fällen nur eine abgewandelte Form von Exklusion ist und dass wir Schüler*innen mit einer Behinderung nicht in das Regelschulsystem hineinpressen können, ohne dass alle darunter leiden. Aber sind das Gründe gegen Inklusion?

Ich bin überzeugt, dass wir den Weg gehen müssen und dass es sich lohnen wird. Für uns alle.

Das Buch ist übrigens eine große Leseempfehlung, egal ob du etwas mit dem Bereich zu tun hast oder nicht, denn am Ende geht Inklusion uns alle an.

Literatur: Wahl, Hannah (2023). Radikale Inklusion. Ein Plädoyer für Gerechtigkeit. Graz, Wien, Berlin: Leykam Buchverlag.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert