In den letzten Jahren habe ich mich viel mit der Frage auseinandergesetzt: „Kann ich, obwohl ich Lehramt studieren, beruflich etwas anderes machen als Lehrerin sein?“ Kaum ein Studiengang scheint den beruflichen Werdegang so eindeutig festzulegen, wie Lehramt. Denn was sonst sollte ich mit meinem Master of Education nach fünf Jahren Studium anfangen?
Zu Beginn meiner Suche nach Antworten beschäftigte ich mich in erster Linie damit, wie ich die Grenzen des Berufs zu meinen Gunsten ausdehnen kann. Dafür habe ich verschiedene Zusatzkurse an der Uni belegt und auch die Weiterbildung des Schulfachs Glück gemacht. Mit der Zeit ging es mir dann immer mehr um die Frage, ob ich eigentlich auch Alternativen habe mit meinem Studium habe. Zu dem Thema hörte ich viele Folgen des Podcast „Life after Lehramt“. Isabel Probst, die selbst ehemalige Lehrerin ist, hat dort viele Menschen zu sich eingeladen, die auch mal „ganz normale Lehrkräfte“ waren und nun ihren Weg im oder außerhalb des Schulsystems gefunden haben. Sie spricht dort mit Personen, die nun an einer Schule für Kranke, in einer Schule für Gefängnisinsass*innen oder an einer freien / alternativen Schule arbeiten. Aber auch mit Menschen, die sich selbstständig gemacht haben, in Bildungsunternehmen arbeiten oder sich entsprechend ihrer Fächer umorientiert haben. Auch wenn der Podcast eigentlich ein Aufruf zum „Ausstieg“ aus dem Lehrer*innenberuf ist, hat er mir vor allem vor Augen geführt, dass ich mich mit dem Studium eben nicht komplett auf den Beruf Lehrerin festlege und immer noch die Wahl habe, ob ich nach dem Studium in die Schule gehen möchte, oder nicht. (Über meine innere Zerrissenheit habe ich bereits in dem verlinkten Beitrag geschrieben, falls dich das Thema mehr interessiert).
Insbesondere im letzten Jahr habe ich dann wieder vermehrt nach Möglichkeiten gesucht, wie ich Lehrerin werden kann, wie ich es möchte, ohne mich im System kaputt machen zu lassen. Dafür habe ich mehrere Praktika in verschiedenen Schulen, auch freien Schulen und in der Akademie für Lernpädagogik, einem Bildungsunternehmen, bei dem ich auch heute noch arbeite, gemacht.
Ich habe in den letzten Jahren gelernt, dass wir als Lehrkräfte verdammt viele Kompetenzen haben, die auch in der freien Wirtschaft Gold wert sind. Wir können Führung übernehmen und Menschen überzeugen. Wir können Wissen verständlich vermitteln. Wir können Konflikte schlichten und für Herausforderungen kreative Lösungen finden. Wir können flexibel auf unerwartete Ereignisse reagieren und auch in stressigen Situationen einen Überblick bewahren. Wir können uns organisieren und mit Menschen arbeiten, die keine Lust auf uns haben. Und selbst wenn natürlich nicht jede (angehende) Lehrkraft all diese Kompetenzen hat, haben wir doch unheimlich viele Kompetenzen! Und diese Kompetenzen geben uns einen Wert, den wir nicht unterstützen sollten.
Ich bin noch immer nicht am Ende meiner „Reise“ auf der Suche nach… ja, nach was eigentlich? Nach dem richtigen Beruf für mich? Nach einem Beruf, der mich erfüllt und mich nicht gleichzeitig aussaugt? Nach einem Beruf, bei dem ich selbstbestimmt sein kann und gleichzeitig Sicherheit habe? Nach einer Möglichkeit, wie ich Lehrerin werden kann und gleichzeitig die Grauzonen des Systems zu meinem Vorteil nutzen zu können?
Noch immer habe ich viele Fragen und aus jeder Antwort ergeben sich wieder zig neue Fragen. Doch ich habe immer mehr das Gefühl, dass, wenn ich eine Entscheidung treffe, diese bewusst und gut überlegt getroffen wird. Und das ist doch die halbe Miete, oder?
Ich kann jeder angehenden Lehrkraft nur ans Herz legen, sich bewusst mit den eigenen Möglichkeiten und Optionen auseinanderzusetzen. Ob durch Praktika, Podcasts, Blogs oder Informationsveranstaltungen an der Uni. Denn sich bewusst für oder gegen das Schulsystem zu entscheiden ist so viel Fall besser, als sich einfach hineintreiben zu lassen und dann festzustellen, dass man seine Fähigkeiten und Kompetenzen nicht kennt und auch keine Alternative weiß.