Die Zukunft des Lehramtsstudiums: Weniger Theorie, mehr Praxis?

Bildung ist in Deutschland Ländersache. Dies betrifft nicht nur die Schulbildung, sondern selbstverständlich auch die Hochschulbildung. Ich studiere in Nordrhein-Westfahlen (NRW). Ich weiß zum Teil auch, wie die Lehrkräfteausbildung in anderen Bundesländern aufgebaut ist, kenne mich aber mit der Ausbildung in NRW eindeutig am besten aus.

In NRW ist es so, dass das Lehramtsstudium in Bachelor und Master unterteilt ist. Der Bachelor dauert regulär sechs Semester (drei Jahre), der Master dann noch einmal vier Semester (zwei Jahre). Im Anschluss an den Master folgt das Referendariat, das noch einmal eineinhalb Jahre in Anspruch nimmt. In NRW dauert es also rund sieben Jahre, vom Ausbildungsstart bis zur fertigen Lehrkraft. Ich beziehe mich in diesem Beitrag insbesondere auf die universitäre Ausbildung, die bis zum Abschluss des Masters geht. Innerhalb des Studienverlaufs sind drei verpflichtende Praktika vorgesehen. Das erste Praktikum, auch Eignungs- und Orientierungspraktikum (EOP) genannt, wird in der Regel im ersten oder zweiten Bachelorsemester ausgeübt und umfasst eine Dauer von fünf Wochen. Ziel des Praktikums ist es, den Beruf der Lehrkraft aus einer beobachtenden Rolle kennenzulernen und sich erstmals reflektierend mit der eigenen Rolle als angehende Lehrkraft auseinanderzusetzen. Das zweite Praktikum folgt im dritten oder vierten Bachelorsemester. Dies wird Berufsfeldpraktikum (BFP) genannt und dient dazu, einen anderen pädagogischen Bereich kennenzulernen. Dieses Praktikum umfasst in der Regel vier Wochen. Nach diesen beiden Praktika folgt verpflichtend dann nur noch das Praxissemester, welches fünf Monate geht und in der Regel im zweiten Mastersemester absolviert wird. Hier dürfen die Studierenden erstmals im Rahmen des Studiums vor einer Klasse stehen und unterrichten. Dies wird allerdings noch nicht beurteilt, sodass dieses Praktikum für die Studierenden eine Chance bietet sich selbst auszuprobieren und verschiedene Methoden zu testen.

Auch in regulären Seminaren gibt es gelegentlich Möglichkeiten direkt in der Schule zu arbeiten. Dies ist jedoch eher die Ausnahme und noch nicht allzu verbreitet.*

Viele Studierende wünschen sich mehr Praxisbezug von Beginn des Studiums an. Diesem Wunsch würde ich mich grundsätzlich anschließen. Insbesondere in Zeiten des Lehrkräftemangels wäre es für alle eine große Chance, wenn das Lehramtsstudium wie ein Duales Studium aufgebaut wäre, bei dem die Studierenden von Anfang an auch in der Schule tätig sind. Es könnte damit beginnen, dass die Studierenden zunächst in Teams mit Lehrkräften arbeiten, was grundsätzlich ein sinnvoller Standard wäre. Später könnten die Studierenden dann auch untereinander im Team Klassen übernehmen und Kleingruppen fördern.

Doch nicht nur der Praxisbezug kommt meiner Meinung nach im Studium zu kurz. Auch die Prüfungsformen könnten an der einen oder anderen Stelle überdacht werden. Klar sind Multiple-Choice Klausuren schnell korrigiert und wenn die Prüfungsfragen mal wieder im Vorhinein schon durch die WhatsApp-Gruppen gehen, sind diese auch leicht auswendig gelernt. Das hat jedoch für mich nichts mit Verständnisaufbau und schon gar nichts mit nachhaltigem Lernen zu tun. Ich hatte sogar einmal eine Vorlesung, in der darüber gesprochen wurde, wie wenig sinnvoll reine Wissensabfrage in Prüfungen ist, doch die Prüfung über diese Vorlesung war letztendlich auch eine Multiple-Choice Prüfung. In einigen Modulen habe ich inzwischen vermehrt Hausarbeiten, Portfolioabgaben oder mündliche Prüfungen, aber insbesondere der Bachelor ist sehr klausurlastig. Ich finde Klausuren auch nicht grundsätzlich schlecht, aber sie sollten so gestaltet sein, dass es mehr als nur das typische Auswendiglernen erfordert, das so oft als ineffektive Lernmethode erwiesen wurde. Ich habe die Hoffnung, dass mit zunehmender Nutzung von KI die Kompetenzen und Fähigkeiten der Studierenden stärker in den Vordergrund rücken.  

Zuletzt möchte ich mich noch für Wissenschaftlichkeit im Studium aussprechen. In Seminaren höre ich oft, dass das Studium zu theoretisch ist und die Wissenschaft zu stark im Fokus steht. Ich bin der Meinung, dass es äußerst wichtig ist, dass wir als Lehrkräfte die Fähigkeit besitzen, wissenschaftliche Studien zu lesen und zu verstehen. Auch im späteren Berufsleben sollten wir die Forschung nicht aus den Augen verlieren. Denn genau das passiert heute und ist mit ein Grund dafür, dass unser Bildungssystem sich nicht flächendeckend weiterentwickelt. Deshalb bin ich der Meinung, dass Schule und Forschung enger zusammenarbeiten sollten und neue Erkenntnisse direkt in den Schulalltag integriert werden sollten, sobald sie sich in Studien als wirksam erwiesen haben. Gerade deshalb würde auch ein Duales Studium meiner Ansicht nach so viel Sinn ergeben, denn angehende Lehrkräfte könnten dadurch von Anfang an Wissenschaft und Schule verbinden, da sie sich parallel in beiden Feldern bewegen.

Fazit: Die Lehrerausbildung in NRW erstreckt sich über einen Bachelor- und Masterstudiengang sowie das Referendariat und bietet einzelne Praktika, um angehenden Lehrkräften praktische Erfahrungen zu vermitteln. Der Ruf nach mehr Praxisbezug vom Beginn des Studiums an immer lauter, unterstützt durch die Notwendigkeit angesichts des Lehrkräftemangels, die Studierenden möglichst schnell in den Beruf zu heben. Eine Überprüfung der Prüfungsformen sowie eine verstärkte Integration von wissenschaftlicher Forschung in den Schulalltag halte ich ebenfalls für sinnvoll, um die Lehrerausbildung zeitgemäß und effektiv zu gestalten.

*An dieser Stelle ist es wichtig zu erwähnen, dass ich mein gesamtes Bachelorstudium während der Corona-Pandemie absolviert habe. Zu dieser Zeit wurden auch Seminare, die eigentlich mehr Praxisnähe beinhalten sollten, aufgrund der Pandemiebeschränkungen umstrukturiert.

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