Schulnoten – ja oder nein? Das Thema scheint so breit behandelt, dass es eigentlich hinfällig sein müsste, darüber einen Beitrag zu schreiben. Doch da Noten in unserem Bildungssystem und auch in unserer Gesellschaft weiterhin einen enorm hohen Stellenwert haben, scheint das Thema doch noch nicht genug diskutiert worden zu sein.
Warum gibt es eigentlich Schulnoten?
Im Jahr 1534 wurden Noten erstmals an Jesuitenschulen eingeführt. Sie dienten der Bewertung von Prüfungsleistungen anhand bestimmter Kriterien und bilden bis heute die Grundlage des deutschen Notensystems. Noten dienen bis heute der leichten Vergleichbarkeit und Einordnung der Leistungen von Schüler*innen.
Doch wie vergleichbar Schulnoten tatsächlich sind, wird schon seit einigen Jahren hinterfragt. Denn die Notengebung hängt von zahlreichen Faktoren ab, darunter:
- Leistung der Mitschüler*innen
- Geschlecht
- Soziale Herkunft
- Stimmung und Intention der Lehrkraft
(Quarks, 2022)
Diese Komponenten zeigen sich deutlich, dass Noten alles andere als objektiv sind. Außerdem können sie niemals die gesamten Fähigkeiten eines Menschen abbilden. Sie sind lediglich eine Momentaufnahme dessen, was eine Person zu einem bestimmten Zeitpunkt leisten kann.
Um den Herausforderungen der Notengebung zu begegnen, gibt es verschiedene alternative Ansätze zur Leistungsbewertung:
Verbales Feedback:
An der Heliosschule gibt es bedarfsabhängige Kindersprechstunden. Dort sprechen Schüler*innen in Einzelgesprächen mit Lehrkräften über ihren Lernprozess und ihre Fortschritte.
Schriftliche Zeugnisse in Textform:
Zeugnisse in Textform bieten die Möglichkeit, ausführlich auf die Kompetenzen der Schüler*innen einzugehen. Sie vermitteln ein differenziertes Bild der individuellen Stärken und Potenziale.
Kompetenzraster:
Kompetenzraster sind ähnlich wie Erwartungshorizonte aufgebaut, beinhalten jedoch immer die Formulierung: „Ich kann…“. Sie bieten eine detaillierte Übersicht über die Fähigkeiten der Schüler*innen. Mit mehreren Abstufungen und Bezug zu den Lehrplaninhalten zeichnen sie ein vielschichtiges Bild des Lernstands – weit aussagekräftiger als eine bloße Note.
Doch was machst du als Lehrkraft, wenn du an einer Schule unterrichtest, die alternative Beurteilungssysteme nicht unterstützt? Oder wenn die zeitlichen Ressourcen für ausführliche Gespräche oder schriftliche Rückmeldungen fehlen?
Niedrigschwellige Ergänzungen zur klassischen Notengebung:
A- und B-Noten
Eine Idee, die ich mal in einem Podcast aufgeschnappt habe, ist die Einführung von A-und B- Noten. Die A-Note ist die klassische Note, die wir alle kennen. Die B-Note hingegen bewertet den individuellen Lernprozess. Hat eine Schülerin in der ersten Klassenarbeit beispielsweise eine 4 (A-Note) geschrieben, zeigt aber im Lernprozess großes Interesse und beteiligt sich aktiv, kann sie in der B-Note dementsprechend eine 1 oder 2 bekommen. Dadurch kann die Lehrkraft sichtbar machen, dass sie den Lernprozess sieht und dies vielleicht auch auf dem Zeugnis berücksichtigen.
Alternatives Zeugnis
Eine weitere Möglichkeit ist das alternative Zeugnis. Hier kann den Schüler*innen eine kurze persönliche Botschaft über ihre Fähigkeiten geschrieben werden. Es gibt zahlreiche Vorlagen im Internet, die sich einfach ausfüllen und am Zeugnistag aushändigen lassen. Damit wird nicht nur das Selbstwertgefühl der Schüler*innen, sondern auch die Beziehung zwischen Lehrkraft und Schüler*in gestärkt.
Ich persönlich halte wenig von der Art der Leistungsbewertung, wie sie heute praktiziert wird. Eine alternative Notengebung könnte nicht nur Leistungsdruck und unfaire Bewertung reduzieren, sondern auch diskriminierende Strukturen abbauen. Es ist an der Zeit, das Thema Schulnoten neu zu denken – zum Wohl der Schüler*innen und einer gerechteren Bildung.
Verwendete und weiterführende Literatur:
AG Kompetenzrahmen (2006): Kompetenzraster Handreichung. https://studienseminar.rlp.de/fileadmin/user_upload/studienseminar.rlp.de/bb-nr/daten-1/Handreichung_Kompetenzraster.pdf [aufgerufen am 16.01.2025].
Inklusion Digital (2022): Das Schulnoten-System in Deutschland – Sollen Schulnoten abgeschafft werden? https://www.inklusion-digital.de/das-schulnoten-system-sollen-schulnoten-abgeschafft-werden/ [aufgerufen am 16.01.2025]
Kerbel, Barbara (2016): Das Dilemma mit den Schulnoten. https://www.bpb.de/themen/bildung/dossier-bildung/213307/das-dilemma-mit-den-schulnoten/ [aufgerufen am 16.01.2025].
Lueg, Andrea (2024): Schule ohne Noten – Verstehen statt sturem Pauken. https://www.swr.de/swrkultur/wissen/schule-ohne-noten-verstehen-statt-sturem-pauken-102.html [aufgerufen am 16.01.2025].
Neumayer, Ingo (2020): Schulnoten. https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/lernen/schulgeschichte/schulgeschichte-schulnoten-100.html [aufgerufen am 16.01.2025].
Quarks.de (2022): So wenig aussagekräftig sind Schulnoten. Eine Zahl zwischen 1 und 6 – eindeutig, verständlich, klar. Aber: Noten sind nicht objektiv – und sagen auch ganz viel nicht. https://www.quarks.de/gesellschaft/bildung/so-wenig-aussagekraeftig-sind-schulnoten/ [aufgerufen am 16.01.2025].