In den letzten Jahren habe ich immer wieder damit gehadert, ob ich wirklich Lehrerin werden möchte. Nicht, weil ich den Beruf nicht unheimlich toll finde – ganz im Gegenteil. Vielmehr spielten äußere Faktoren eine Rolle. Unter anderem habe ich den Eindruck, dass Lehrkräfte in unserer Gesellschaft nicht gut angesehen sind. Ganz nach dem Motto „Lehrer kann jeder!“ scheint es, als hätten alle ihre Meinungen zum Unterrichten und zu Lehrkräften. Je länger und intensiver ich mich mit dem Beruf beschäftigt habe, desto klarer wurde mir, wie unglaublich anspruchsvoll er ist. Du brauchst so viele Eigenschaften, Kompetenzen und Fähigkeiten, dass es fast unmöglich scheint diesem Beruf tatsächlich gerecht zu werden.
Also habe ich mich gefragt: Warum fühlt es sich oft so an, als würden Lehrkräfte nicht wertgeschätzt? Und wie ist das eigentlich in anderen Ländern?
Die OECD erhebt alle fünf Jahre mit der TALIS-Studie (Teaching and Learning International Survey), wie es Lehrkräften in verschiedenen Ländern geht. Deutschland war zwar bei der letzten Erhebung 2018 nicht dabei, wird aber in der aktuellen TALIS 2024 berücksichtigt (Veröffentlichung am 7. Oktober – eine Aktualisierung dazu folgt). Dennoch lohnt sich ein Blick auf die letzten Ergebnisse.
Nur 26 % der Lehrkräfte aus den teilnehmenden OECD-Ländern gaben an, dass ihre Arbeit von der Gesellschaft wertgeschätzt wird. Diese Zahl schwankt jedoch enorm: In Frankreich waren es gerade einmal 5 %, in Vietnam dagegen 92 %. Spannend ist auch der Blick auf Geschlechterunterschiede: Im Schnitt fühlen sich Männer (29 %) stärker anerkannt als Frauen (24 %).
Ein weiteres Ergebnis: Lehrkräfte, die viel Zeit für administrative Aufgaben aufwenden müssen, empfinden mehr Stress und erleben gleichzeitig weniger Selbstwirksamkeit. Umgekehrt fühlen sich Lehrkräfte, die mehr Autonomie in ihrer Arbeit haben, zufriedener, selbstwirksamer und weniger gestresst.
Es zeigt sich ein klarer Zusammenhang in Ländern, in denen Lehrkräfte sich gesellschaftlich anerkannt fühlen, schneiden die Schüler:innen bei PISA besser ab. Gleichzeitig gilt auch die umgekehrte Richtung, denn dort, wo es gute PISA-Ergebnisse gibt, fühlen sich Lehrkräfte häufiger wertgeschätzt. Hier entsteht ein Kreislauf, der sich gegenseitig verstärkt. Es konnte auch unabhängig von Pisa belegt werden, dass Schüler:innen erfolgreicher sind, wenn Lehrkräfte mehr Selbstwirksamkeit und Autonomie empfinden und das ist ebenfalls ein sich gegenseitig befeuernder Kreislauf. Wertschätzung wirkt sich also nicht nur auf das Wohlbefinden von Lehrkräften aus – sie beeinflusst unmittelbar die Qualität von Bildung.
Viele Lehrkräfte erleben jedoch das Gegenteil. Besonders jene, die an sogenannten Brennpunktschulen oder Förderschulen arbeiten, fühlen sich oft weniger anerkannt. Sie berichten häufiger, dass sie regelmäßig über ihre Grenzen hinausgehen müssen – ohne dafür gesehen oder unterstützt zu werden.
Hinzu kommt, dass der Lehrberuf ist einer der wenigen, der ständig öffentlich kommentiert wird. Kaum jemand würde Chirurg:innen oder Ingenieur:innen ins Handwerk reden. Aber bei Lehrer:innen scheinen viele Menschen eine Meinung zu haben. Das kann am Selbstwert nagen und die Arbeit schwerer machen.
Das Gefühl, eine wertvolle Arbeit zu machen, ist entscheidend für das persönliche Wohlbefinden. Lehrkräfte, die ihren Beruf als erste Wahl gewählt haben, die ihre eigenen Fächer unterrichten und in der Schule eine hohe Selbstwirksamkeit erleben, berichten deutlich häufiger, dass sie sich gesellschaftlich anerkannt fühlen.
Auch Faktoren wie ein faires Gehalt, ein angemessenes Arbeitspensum und klare Unterstützung durch Politik und Gesellschaft tragen dazu bei, dass der Beruf respektiert wird.
Studien wie PISA oder TALIS zeigen, dass es für den Bildungserfolg eine entscheidende Rolle spielt, ob Lehrkräfte sich wertgeschätzt und wirksam fühlen. Das betrifft nicht nur die Zufriedenheit einer einzelnen Berufsgruppe, sondern die Bildung kommender Generationen. Es ist unsere Aufgabe als Gesellschaft, nicht wegzuschauen, nicht zu bewerten, sondern anzuerkennen, dass es sich beim Lehrberuf um eine anspruchsvolle und herausfordernde Tätigkeit handelt. Diese Anerkennung muss sich in Investitionen ins Bildungssystem und in echtem Reformwillen widerspiegeln. Es darf nicht sein, dass Fortschritt von einzelnen engagierten Personen abhängt, die in ihrem persönlichen Wirkungskreis so viel geben, dass sie daran kaputtgehen. Es wird zeit, dass die Bundesländer und Kommunen alles daran setzen engagierte Lehrkräfte im System zu halten und sie in ihrem Engagement zu unterstützen, anstatt sie auszubremsen.
Zuletzt möchte ich noch einmal danke sagen:
Wenn du Lehrer:in bist und jeden Morgen jedes Kind mit einem Lächeln begrüßt, auch wenn du dich nicht danach fühlst – danke!
Wenn du Lehrer:in bist und dich stark machst für Schüler:innen, die übersehen werden – danke!
Wenn du Lehrer:in bist und mit den Schüler:innen auf Augenhöhe kommunizierst – danke!
(weiterführende) Literatur:
Arnold, B. & Rahimi, M. (2024). Global Status of Teachers 2024. Brussels: Education International (EI).
OECD (2020), TALIS 2018 Results (Volume II): Teachers and School Leaders as Valued Professionals, TALIS, OECD Publishing, Paris. https://doi.org/10.1787/19cf08df-en.
OECD (2025), Education at a Glance 2025: OECD Indicators, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/1c0d9c79-en.
Spruyt, B., Van Droogenbroeck, F., Van Den Borre, L., Emery, L., Keppens, G. & Siongers, J. (2021). Teachers’ perceived societal appreciation: PISA outcomes predict whether teachers feel valued in society. International Journal of Educational Research Volume 109, 2021, 101833. https://doi.org/10.1016/j.ijer.2021.101833
